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Höchstgeschwindigkeit – auch ohne Gesetz eine Frage der Rücksicht

MG | stvo.de – 26.10.2021
Bildquelle (Header): © cevahir/stock.adobe.com

Seit Jahrzehnten kommt stetig die Diskussion auf, ob die Begrenzung der Geschwindigkeit auf Autobahnen sinnvoll ist. Die Argumente reichen von wachsender Sicherheit auf unseren Straßen bis zu ökologischen Vorteilen, dennoch hat sich eine Begrenzung der maximalen Geschwindigkeit noch nicht durchgesetzt. Auch wenn die StVO überall jenseits von Autobahnen eine Höchstgeschwindigkeit vorgibt, kann Rücksicht mit schwächeren Verkehrsteilnehmern ganz ohne Gesetz einen solchen Beitrag leisten.

Höchstgeschwindigkeit: Unterschiede in Theorie und Praxis

Jeder erfahrene Autofahrer kennt die Situation: Die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung ist jederzeit gewünscht und Bußgelder sollen vermieden werden. Dennoch ist es keine Seltenheit, die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit um einige Kilometer pro Stunde zu überschreiten und so schneller ans Ziel zu kommen. Oft hilft dies sogar, um sich in den Verkehrsfluss besser einzugliedern.

Ähnlich wie das Abstandhalten oder das Setzen des Blinkers beim Abbiegen gehen Theorie und Praxis im Straßenverkehr auseinander. Als Unbeteiligter würde wohl jeder Autofahrer zustimmen, dass die genannten Regelungen sinnvoll sind und zur Sicherheit im Verkehr beitragen. Ist man selbst in der Situation, schnell ans Ziel kommen zu wollen, werden ein oder zwei Augen zugedrückt.

Die StVO hat in rechtlicher Hinsicht einen klaren Umgang hiermit, angefangen von Bußgeldern bis zu Punkten in Flensburg. Dennoch sollte bei einem häufigen Überschreiten der Ordnung darüber nachgedacht werden, was dies für die eigene Lebensweise bedeutet und wie andere Personen unter dieser Entscheidung leiden können.

Höheres Tempo oft kein Kavaliersdelikt

Jeder Autofahrer wird schon einmal in einer geschlossenen Ortschaft 55 km/h gefahren sein. Gerne wird dies als Kavaliersdelikt abgetan, sollte jedoch immer im Kontext des jeweiligen Umfeldes gesehen werden. Ein wichtiger, persönlicher Maßstab sollte sein, wie groß die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch das eigene Verhalten ist.

Wer alleine und nachts auf Straßen unterwegs ist, stellt ein weniger großes Risiko als im Feierabendverkehr oder in der Nähe eines Krankenhauses oder einer Schule dar. Hier können selbst Unfälle drohen, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer strikt an die StVO hält. Mit jedem Kilometer pro Stunde mehr steigt das Risiko für sich und andere. Außerdem werden Unfälle nicht mehr so glimpflich ablaufen, je höher die gewählte Geschwindigkeit ist.

Umso größere Ausmaße hat die Entscheidung für zu hohe Geschwindigkeiten auf Autobahnen. Was die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen anbelangt, ist unsere Nation ein echter Einzelfall in Europa. In allen großen Nachbarländern sind Beschränkungen wie 110 oder 120 km/h üblich – als Höchsttempo und nicht als Richtgeschwindigkeit. Werden diese Werte überschritten, drohen schnell empfindliche Bußgelder.

Umsetzung einer Tempo-Begrenzung weiterhin unwahrscheinlich

Dass die meisten europäischen Nationen außer Deutschland eine Höchstgeschwindigkeit verankert haben, kommt nicht von ungefähr. Allen ist bewusst, dass immens hohe Geschwindigkeiten wesentlich zu verheerenden Unfällen beitragen. Dennoch sollte auch nach der Bundestagswahl 2021 nicht damit gerechnet werden, dass ein Verbot höherer Geschwindigkeit auf Autobahnen im Rahmen der StVO verankert werden soll.

Junge und gesunde Autofahrer sehen hierin oft kein Problem und fühlen es eher als Einschränkung ihrer Freiheit, nicht im Wunschtempo fahren zu können. Vertreter von schwachen oder eingeschränkten Zielgruppen in Deutschland sehen dies anders. Matthias Korn, Sachverständiger bei TS Treppenlifte® sagt: „Querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrer würden ein Geschwindigkeitsverbot befürworten“.

Natürlich muss es nicht überall im Verkehr zu einem so gemäßigten Tempo kommen, wie es von hochwertigen und sicheren Treppenliften her bekannt ist. Dennoch sollte verstanden werden, dass Personen wie Rollstuhlfahrer genauso ein Anrecht haben, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Ob Auto oder Treppenlift, die eigenständige Steuerung von Fahrzeugen und Transportmitteln aller Art ist möglich und sollte beste Rahmenbedingungen für ein sicheres Miteinander schaffen.

Fahrerfahrung nicht das einzige Argument

Gerne wird in der Diskussion um die Höchstgeschwindigkeit das Thema Erfahrung genannt. Und in der Tat: Jüngere Verkehrsteilnehmer haben statistisch gesehen ein höheres Risiko, Verkehrssituationen falsch einzuschätzen und hierdurch einen Unfall zu bauen. Es verwundert nicht, dass die Versicherungen in Deutschland höhere Beiträge für Verkehrsanfänger ansetzen.

Trotzdem ist der Rückschluss falsch, dass ältere und erfahrene Autofahrer seltener zu hohen Geschwindigkeiten neigen. Die Erfahrung mit dem eigenen Fahrzeug gibt selbstverständlich Sicherheit und macht es möglich, das eigene Automobil auch bei einem hohen Tempo sicher zu führen. Genau dies könnte dazu animieren, höhere Geschwindigkeiten zu nutzen und so unbemerkt das Risiko für andere Verkehrsteilnehmer zu steigen. Schließlich kann das eigene Verhalten andere Personen in eine Problemsituation bringen, weil dessen Erfahrung fehlt.

Echte Rücksicht im Alltag ausleben

Wie sollte also auf eine weiterhin fehlende Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen eingegangen werden? Hier hat sich jeder Autofahrer selbst mit dem Thema zu befassen. Die Rücksicht im Straßenverkehr ist fester Bestandteil der StVO und sollte nicht als leere Phrase verstanden werden. Wer schon einmal in einen Unfall verwickelt war, wird wissen, welche Kräfte bereits bei wenigen Kilometern pro Stunde freigesetzt werden.

Ständig unter Stress zu stehen und um Sekunden zu feilschen, kann dauerhaft keine gesunde Lebensweise sein. Hier heißt es, sich auch mal zurückzunehmen und eine neue Freude am Autofahren genießen. Und dies gelingt auch mit etwas weniger Geschwindigkeit und mehr Gelassenheit beim Fahrerlebnis.

Autor: Michelle Greger