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Abgasskandal: Umstrittenes VW-Software-Update »23CY« ist kein verpflichtender KBA-Rückruf

MM | stvo.de – 26.03.2021
Bildquelle (Header): © bluedesign/stock.adobe.com

Die von VW in den vergangenen Wochen gestartete Servicemaßnahme mit dem Code »23CY« ist kein vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneter Rückruf. Der Wolfsburger Konzern hatte Kunden, die im Besitz eines Dieselfahrzeugs mit dem Motortyp EA288 sind, über die Händler anschreiben lassen und über jene Werkstattaktion informiert. Durch ein Software-Update beim Motorsteuergerät sollen Probleme bei der Fehlererkennung im SCR-System beseitigt werden, welches zur Abgasreinigung dient. Dieses System steht beim EA288-Motor im Verdacht, illegale Abschalteinrichtungen zu enthalten.

 

Verbraucherschützer bemängeln die fehlende Transparenz bei dieser als Rückruf getarnten Servicemaßnahme »23CY«. Die Aktion ist kein KBA-Rückruf also nicht behördlich angeordnet und somit für die Fahrzeugbesitzer freiwillig. Das KBA ist in Deutschland als Behörde für die Typgenehmigung sowie die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben bei Fahrzeugen zuständig und kann Rückrufe anordnen. Diese erfolgen, wenn laut KBA-Webseite »der verantwortliche Wirtschaftsakteur nicht durch eigene Maßnahmen sicherstellt, dass ein ernstes Risiko (nicht sicheres Produkt) ausreichend schnell und wirksam beseitigt wird.« Wird also ein Rückruf vom KBA angeordnet, ist dieser verbindlich.

Dies ist bei der Servicemaßnahme »23CY« von VW jedoch nicht der Fall. Rechtsanwalt Helmut Dreschhoff von der BRR Verbraucherkanzlei Baumeister Rosing vermutet, dass diese Aktion einen anderen Grund als nur die Fehlerbehebung beim Motorsteuergerät hat. »Es ist schon sehr auffällig, dass VW zum jetzigen Zeitpunkt dieses Software-Update für den EA288-Motor anbietet«, sagt Dreschhoff. »Gerade erst im Dezember 2020 hatte der EuGH zur Rechtmäßigkeit von Abschalt-Software in Fahrzeugmotoren geurteilt. Die Luxemburger Richter erklärten Abschalteinrichtungen zur Manipulation von Abgaswerten bei Zulassungstests für illegal. Somit darf keine Software in Motoren verwendet werden, die systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen bei Zulassungstests verbessert. Demnach können sich Autohersteller auch nicht mehr mit der Ausrede des Motorschutzes herausreden, so wie VW es bisher immer getan hat.«

»Offenbar will Volkswagen mit der Werkstattaktion 23CY einem offiziellen EA288 Rückruf durch das KBA zuvorkommen«, so der Rechtsanwalt, der sich seit Jahren für die Rechte der Verbraucher im Dieselskandal einsetzt. »Darüber hinaus liegt die Vermutung nahe, dass man das Software-Update am Motorsteuergerät vornehmen will, um zuvor eingebaute illegale Abschalteinrichtungen zu entfernen. Für uns sieht diese Aktion also nach einem Verschleierungsversuch aus – ein weiteres starkes Indiz dafür, dass auch beim EA288-Motor geschummelt wurde.« Der EA288 ist der Nachfolger des EA189 aus dem Hause VW, der 2015 den Dieselskandal ausgelöst hatte. Der EA288 ist in Fahrzeugen von VW, Audi, Seat und Skoda verbaut.

Dreschhoff rät allen Besitzern eines VW-Fahrzeugs mit EA288-Motor von der Durchführung des Software-Updates ab. »Das Software-Update kann Schäden am Fahrzeug verursachen, die unter Umständen erst viele Jahre später auftauchen«, sagt der Rechtsanwalt. »Dieselfahrer berichteten uns bei ähnlichen Maßnahmen in der Vergangenheit, dass es in der Folge zu reduzierter Motorleistung sowie zu erhöhtem Kraftstoff- und AdBlue-Verbrauch kam.«

Verbraucherschützer stellen indes eine Zunahme an verbraucherfreundlichen Urteilen zum EA288-Motor fest, was auch offenbar dem VW-Konzern nicht entgangen ist. »Anders ist nicht zu erklären, warum VW momentan verstärkt in der Öffentlichkeit versucht, gegen klagende Kunden und deren Anwälte Stimmung zu machen«, so Dreschhoff weiter. »Beispielsweise äußerte sich VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner im Februar 2021 abfällig über die Arbeit der Verbraucherschutzanwälte und warf ihnen vor, aus Geldgier eine ›Klageindustrie‹ in Deutschland aufzubauen. Aus unserer Sicht liegt die hohe Zahl der Klagen aber einzig daran, dass die Hersteller ihre Kunden jahrelang in diesem massiven Umfang betrogen haben. Der Wunsch der geschädigten Dieselfahrer ist nach wie vor da, Schadensersatz für ihr eindeutig mangelhaftes Fahrzeug zu bekommen. Beim EA288-Motor sehen wir, dass sich die Richter offensichtlich immer mehr von der Argumentation der Rechtsanwälte überzeugen lassen.«

Deshalb rät der Verbraucheranwalt auch allen Fahrzeugbesitzern mit EA288-Motor zur Prüfung, ob sie Schadensersatzansprüche geltend machen können. »Der Dieselskandal geht weiter – auch wenn die Hersteller den Eindruck vermitteln wollen, dass sich Klagen nicht lohnen. Geschädigte Dieselfahrer sollten also unbedingt rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen, damit VW, Daimler und Co. den wohl größten Verbraucherskandal aller Zeiten nicht einfach aussitzen können.«

 

Michel Meier
freiberuflicher Redakteur aus Hamburg